
Jack beugte sich ein wenig nach vorn: “Lampe hatte ja bereits während unserer Ausbildung immer einen depressiven Touch. Als er dann in der praktischen Prüfung im Schwimmen eine Fünf und beim Fliegen sogar eine Sechs bekam, gingen bei ihm die Lichter aus. Er fühlte sich als totaler Versager und sah alles nur noch negativ. Das wurde mit der Zeit immer schlimmer. Als ich ihn besuchte, saß er im Garten der Klinik zwischen zwei Bäumen auf dem Moos. Er starrte mich nur apathisch an und brummte irgendwas vor sich hin, wie ‘Bringt doch alles nichts!’ Dann fing er auf einmal an zu graben. Auf meine Frage, warum er das machen würde, meinte er nur, er suche nach dem Kristall - irgend so ein magischer Stein, der ihm helfen sollte, aus seiner Misere rauszukommen.”
“Das hört sich wirklich nicht gut an!”, meinte Roberta besorgt. “Ich denke, Lampe ist einfach das Opfer unserer kalten Leistungsgesellschaft geworden.” “Das sehe ich auch so!”, stimmte Jack zu. “Wir sind zwar nicht so abgedreht wie Lampe, aber dieser ganze Karrierezirkus entmutigt auch mich so langsam immer mehr. In meinem Job komme ich mir nur noch vor wie eine Nummer.” “Wenn du was erreichen willst, dann musst du eben was leisten!”, widersprach ihm die Qualle Ivan. “Dazu braucht man einen eisernen Willen, Disziplin und Teamfähigkeit.” “Das glaubst du doch wohl selbst nicht!”, unterbrach ihn Jack und schüttelte mit dem Kopf. “Ich denke eher, dass für einen guten Posten ganz andere Qualitäten erforderlich sind: Nach oben kriechen und gleichzeitig nach unten treten, ein wenig herumschleimen hilft sicher auch. Und wenn es dann immer noch nicht geklappt hat, kann man ja noch die maßgeblichen Leute bestechen.” “Was redest du für einen Müll?”, reagierte Ivan entrüstet. “Du bist ja bloß neidisch!” “Auf dich?”, rief Jack spöttisch. “Nur weil du dich hochgeschleimt hast. Du denkst wohl, du wärst hier der Schnirkelkönig, oder was?”

Nur Makani wirkte zwischendurch immer wieder ziemlich ernst. Jack bemerkte seine nachdenkliche Stimmung: “Was ist los, Makani? Du machst so einen gedankenverlorenen Eindruck!” “Ach, ich grüble schon seit Wochen darüber nach, welchen Sinn das alles machen soll, jeden Tag aufzustehen, um einem Job nachzugehen, der total öde ist. Vor kurzem war ich bei einem Therapeuten, weil ich mich völlig überlastet fühlte und den Eindruck hatte, langsam aber sicher in Richtung Burnout zu steuern. Nach diesem Gespräch wurde mir klar, dass der Grund für meine mangelnde Energie nicht Überlastung ist, sondern genau das Gegenteil. In Wirklichkeit ist mir langweilig! Ich habe das Gefühl, völlig unter meinen Möglichkeiten zu bleiben und am Eigentlichen vorbeizugehen. Im tiefsten Inneren möchten ich etwas anderes leben, weiß aber nicht, wie ich das anstellen soll. Die vielen Sachzwänge halten mich davon ab, das zu tun, was ich mir wünsche.”
“Das Leben ist nun mal so!”, warf Jack ein. “Nur wenige haben das Glück, das tun zu können, was sie wollen. Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als uns mit dem zu begnügen, was wir haben. Um überhaupt einen Job zu haben, müssen wir nun mal die Erwartungen der maßgeblichen Leute erfüllen.” Makani sah das völlig anders: “Damit gebe ich mich nicht zufrieden! Ich erwarte mehr vom Leben. Morgen habe ich einen Termin bei einem Coach, der im großen Wald lebt. Ich hoffe, dass der mir weiterhelfen kann.” Makani sah Jack an, dass dieser keine Lust hatte, weiter darauf einzugehen. Deshalb beendete er das Thema, prostete seinen Freunden zu und alle erlebten zusammen noch einen lustigen Abend.
Fotos:
“Wasser ist noch kalt” © : Ulrich Velten / PIXELIO
“Fressendes Eichhörnchen” © : Marlene B. (me) / PIXELIO
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen