In persönlichen Gesprächen betone ich häufiger, dass ich das Thema “Glück”, bzw, “glücklich sein” nicht vom philosophischen oder esoterischen Aspekt aus betrachte, sondern das ich einen pragmatischen Ansatz habe. Es geht also in erster Linie darum, dass die Erkenntnisse anwendbar sind und im eigenen Leben funktionieren. Bei allen Glücksmethoden und -prinzipien interessieren mich außerdem die wissenschaftlichen Grundlagen. Mir macht es Spaß, mich mit Glücksforschung, Hirnforschung und Quantenphysik zu beschäftigen. Sehr faszinierend finde ich z.B. die neuronalen Prozesse im Menschen bei bestimmten Emotionen, oder wie sich ein Wechsel der Gefühle auf die Gehirnaktivitäten auswirkt.
So ähnlich habe ich mein Engagement auch einigen religiösen, bzw. spirituellen Menschen erläutert, denen der tiefere Sinn jedoch nicht einleuchtete. Ein Beispiel war ein früherer Freund, von dem ich lange Zeit nichts mehr gehört hatte und der mich vor einigen Monaten überraschend besuchte. Von seinem christlichen Standpunkt her brachte er Argumente wie “Glücklich bin ich, weil ich weiß, wo ich nach dem Tod hinkomme!”, oder “Das wahre Glück findet man nur in Jesus und man braucht diesen ganzen Firlefanz überhaupt nicht!”. Da hab ich ihm widersprochen. Auf meine eigene Spiritualität und persönlichen Glaubensüberzeugungen möchte ich hier jetzt nicht eingehen, denn dazu gibt es von mir noch eine Trilogie mit dem Titel “Die Wahrheit”. Hier soll es darum gehen, in welche Kategorie das “Glück” hineingehört und inwiefern es einerseits mit der Frage nach dem Sinn des Lebens und andererseits mit unseren äußeren Umständen zu tun hat.
Im Buch “Die Glückstrainer” von Ella Kensington ist von insgesamt sieben Grundmotiven die Rede. Im Einzelnen heißen diese “Passen, Erwünschtsein, Schutz, Überlebenssicherung, Entscheidungsfreiheit, Macht und Sex”. Es gibt eine Grundvoraussetzung, damit man überhaupt glücklich sein kann: Jedes der sieben Motive muss erfüllt sein. Die Sache hat allerdings einen Haken: Oft sind diese Motive zwar in der Realität erfüllt, aber aufgrund eines Beurteilungsfehlers unseres Großhirns haben wir trotzdem das Gefühl, dass es bei einem oder mehreren nicht der Fall ist. Aus dieser Diskrepanz entstehen die meisten unserer Probleme. Darüber werde ich demnächst noch einen separaten Beitrag schreiben.
In der Psychologie gibt es eine Vielzahl von Modellen, in der die menschlichen Bedürfnisse und Motivationen dargestellt werden. Ein sehr bekanntes ist die 1943 veröffentlichte Bedürfnispyramide des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow. Da ich in diesem und allen anderen mir bekannten Modellen ein paar Dinge vermisse, habe ich eine eigene Bedürfnispyramide entwickelt:
Die sieben Grundmotive von Ella Kensington finden sich ein wenig abgewandelt in meinem Model wieder. Zu den “Körperlichen Grundbedürfnissen” der ersten Ebene gehören die Motive “Überlebenssicherung” (Essen, Trinken, Atmung und Wärme), “Schutz” (vor Gewalt) und “Sex” (hier ist nicht Partnerschaft gemeint, sondern nur das körperliche Grundbedürfnis).
Die übrigen Grundmotive befinden sich auf der zweiten Ebene. “Passen” und “Erwünschtsein” habe ich hier zu “Beziehungen” zusammengefasst. “Entscheidungsfreiheit” sehe ich nur als einen Teil des Grundmotivs “Freiheit” an, zu dem ebenfalls die “Handlungsfreiheit” gehört. In “Die Glückstrainer” wird “Macht” als Grundmotiv bezeichnet. Diese Betrachtungsweise macht dann Sinn, wenn man es vom Gegenteil her sieht: der Machtlosigkeit. Da der Begriff “Macht” von vielen Menschen aber anders eingeordnet wird, nenne ich das entsprechende Grundmotiv auf der zweiten Ebene “Einfluss“. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, Situationen und andere Menschen beeinflussen zu können. Hätten wir dieses Motiv nicht, dann gäbe es keinen Fortschritt, keine Erziehung und keine Schulen. Die Menschheit würde immer noch unter urzeitlichen Bedingungen leben, sofern sie überhaupt überlebt hätte.
Andere Menschen beherrschen zu wollen, oder im positiven Sinn die Führungsrolle in einem Unternehmen, einer Partei oder einem Verein zu übernehmen, geht über das Grundmotiv des “Einflusses” hinaus. Diese Weiterentwicklung bezeichne ich nun als “Macht“. Sie steht auf der dritten Ebene, zusammen mit der “Anerkennung” als Bedürfnis, das sich aus den “Beziehungen” ergibt und der “Entfaltung“, die als Grundlage die “Freiheit” hat.
Auf der vierten Ebene befindet sich unsere “Identität“. Dazu gehören unsere Überzeugungen, Werte, Ethik, Leitlinien, Berufung, Individualität und der Altruismus. Dann gibt es noch eine fünfte Ebene, die ich “Transzendenz” nenne. Hier spielen persönliche Gotteserfahrungen, bzw. die Suche nach Gott oder einem höheren Wesen eine große Rolle. Es geht außerdem um Dinge wie “ein Leben nach dem Tod” und “den Sinn des Lebens”.
Viele Menschen versuchen, auf der dritten Ebene ihr Glück zu finden. Sie sind davon überzeugt, erst dann glücklich sein zu können, wenn ihnen ein bestimmter Lebensumstand begegnet. Solltet Ihr zu diesen Leuten gehören, muss ich Euch leider enttäuschen: Seit Anbeginn der Menschheit ist es noch niemandem gelungen, durch die Veränderung der äußeren Umstände dauerhaft glücklich zu werden. Es sind zwar kurzzeitig Glücksgefühle möglich, jedoch normalisieren sich diese nach kurzer Zeit wieder. Die Euphorie nach einer Gehaltserhöhung ist nach spätestens drei Wochen vorbei und selbst das intensivste Glücksgefühl - das Verliebt sein - hält selten länger als sechs Monate an.
Siehe auch den Beitrag “Acht Wege, um am Glück vorbei zu laufen“.
Wenn das Glück nicht in den äußeren Dingen zu finden ist, dann wäre es doch naheliegend, dass es sich in der fünften Ebene verbirgt. Diese Stufe unterscheidet sich von den übrigen, den “operativen Ebenen”. Kann man bis zur vierten Stufe sein Handeln und seine Entscheidungen selbst beeinflussen und steuern, so geht es auf der fünften Ebene um ein “sich öffnen” und “erfahren”. Hier ist es kein “Tun”, sondern ein “Sein”. Es gibt Menschen, die ihr Glück auf dieser Ebene suchen. Sie beten täglich stundenlang im Kloster oder meditieren in einem Ashram. Ich persönlich glaube, dass man im Moment einer Gotteserfahrung großes Glück verspüren kann.
Ist dieses Glücksgefühl von Dauer und überträgt es sich auf meine anderen Lebensbereiche? Werde ich alleine dadurch glücklich, dass ich ein bestimmtes Bekenntnis lebe? Meine Antwort: Eindeutig Nein! Wäre das so, dann würde man bei den Anhängern einer bestimmten Religion oder Weltanschauung lauter permanent glückliche Menschen finden. Die wird man aber vergeblich suchen, ob bei den Christen, den Muslimen oder den östlichen Religionen. Die vorrangige Aufgabe einer Religion liegt auch nicht darin, glücklich zu machen; sie hat einen ganz anderen Zweck: In meinen “Gedanken zum Karfreitag” habe ich beschrieben, dass “Re-ligio” wörtlich übersetzt “Rück-Verbindung” heißt. Der ursprüngliche Zustand war also “Einheit” und erfuhr dann eine Form des “getrennt seins”. Die Religion hat nun die Aufgabe, die Verbindung wieder herzustellen. Mein alter Freund hatte da etwas verwechselt. Hätte er davon gesprochen, dass sein Lebenssinn darin besteht, Gott zu finden und in Gemeinschaft mit ihm zu leben, dann wäre ich einverstanden gewesen. “Glücklich sein” dagegen, so wie ich es verstehe, passt besser in eine andere Kategorie - es gehört in die operativen Ebenen.
Die ersten beiden Stufen der Bedürfnispyramide bieten zwar kein Glück, enthalten aber die Voraussetzungen, um überhaupt glücklich sein zu können. Auf der dritte Ebene sucht man dauerhaftes Glück vergebens und auch auf der fünften steht etwas anderes im Vordergrund.
Die vierte Ebene ist es, wo wir unser eigenes Glück selbst erschaffen können. Ja, das ist kein Tippfehler! Wir erschaffen unser Glück im wahrsten Sinne des Wortes. Du bist der Schöpfer Deines eigenen Glücks, oder auch Deines Unglücks. Ich behaupte, dass jeder einigermaßen gesunde und erwachsene Mensch glücklich sein kann. Die Veranlagung dafür tragen wir bereits in uns. Von der vierten Stufe aus beeinflussen wir auch die darunterliegenden Ebenen und öffnen uns für die fünfte. Unser eigenes Potential für eine positive Realitätsgestaltung ist auf der vierten Ebene am Größten.
Leider findet man auf der vierten Ebene auch einige Dinge, mit denen wir uns selbst das Leben schwer machen. Diese “Glücksverhinderer” sind Überzeugungen, dass ich nicht glücklich sein kann, nicht will, oder nicht darf. Sie sind wie alte Programme in unserem Unterbewusstsein, die immer wieder das eigene Glück boykottieren. Diese Programme haben möglicherweise früher einmal einen Sinn gemacht. Vielleicht hatten sie in der frühen Kindheit die Funktion des Selbstschutzes. Aber jetzt, wo der Mensch erwachsen geworden ist, wird diese Art des Schutzes nicht mehr benötigt. Wird das alte Programm jedoch nicht gelöscht, läuft es immer weiter bis zum Lebensende. Es tut einfach seinen “Job” und fragt nicht danach, ob es sinnvoll ist. Die Chancen, hier aufzuräumen, sind allerdings gewaltig. Dabei muss man noch nicht einmal die Probleme aufspüren, um sie anschließend beseitigen zu können. Das alte Programm wird automatisch gelöscht, wenn es durch das passende neue Programm ersetzt wird.
Siehe auch den Beitrag “Wenn der Erfolg immer wieder verhindert wird“.
Fotos:
“Glück” © : Stefanie Hofschlaeger / PIXELIO
“Bedürfnispyramide” © : Udo Michaelis
“Liebespaar auf Gänseblümchen” © : Johanna Bieber / PIXELIO
“Schlüssel zum Glück” © : Uli Carthäuser / PIXELIO
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