Freitag, 12. Juli 2013

Acht Wege, um am Glück vorbei zu laufen

“Glücklich der Mensch, der weise und urteilsfähig geworden ist! Er ist reicher als jemand, der Silber und Gold besitzt. Selbst die größten Schätze und die schönsten Perlen verblassen gegenüber dem Wert der Einsicht. Wer weise ist, wird lange leben und Reichtum und Ansehen erwerben. Ja, die Weisheit schenkt Glück und Sicherheit; sie allein gibt ein erfülltes Leben, und wer an ihr festhält, ist glücklich! Durch Weisheit schuf Gott die Erde, mit seinem Verstand entwarf er das Weltall. Seine Klugheit ließ die Quellen aus der Tiefe hervorsprudeln und Regen aus den Wolken fallen. Mein Sohn, achte darauf, dass du die Weisheit und Besonnenheit nie aus den Augen verlierst! Sie wird dein Leben erfüllen und dir Ansehen bei den Menschen geben. Dann kannst du sicher deinen Weg gehen, nichts bringt dich zu Fall.”
(Sprüche Salomos, Kapitel 3)

Viele Menschen versuchen ständig heraus zu finden, wo das Glück verborgen liegt. Manchmal macht es aber durchaus Sinn, wenn wir darüber nachdenken, wo das Glück nicht ist. Dazu habe ich etwas sehr Schönes in dem Roman “Wokini oder die Suche nach dem verborgenen Glück” von Nicholas Sparks und Billy Mills gefunden. Das Buch handelt von dem Indianerjungen David, der in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in einem Reservat aufwuchs. Seine Mutter starb, als er 11 Jahre alt war. Seine ältere Schwester übernahm sozusagen die Mutterrolle für ihn und seine jüngeren Geschwister. Drei Jahre später starb auch sie an einer Krankheit. Durch diesen erneuten Verlust eines geliebten Menschen, verfiel David in eine tiefe Depression. Er litt unsäglich an diesem Schmerz und dachte manchmal daran, seinem Leben ein Ende zu bereiten.

Nach einigen Wochen wünschte sich David, endlich wieder glücklich sein zu können - aber wie sollte das gehen, mit dieser Trauer? Vielleicht hatte sein Vater eine Antwort für ihn. Als er ihn um Hilfe bat, nahm dieser eine Schriftrolle aus der Schublade seines Schreibtisches. Sie bestand aus zerschlissenem Stoff und war von seinem Ururgroßvater, einem Medizinmann, bemalt worden. Er gab sie David mit den Worten: “Nimm sie an Dich und Du wirst lernen.” Sie enthielt sieben Bilder. Kein einziges Wort war darin geschrieben. Der Vater meinte: “Die Rolle zeigt Dir, wie Du in deinem Leben glücklich wirst.” Er forderte David auf, sie mit auf die Reise zu nehmen. David verstand gar nichts. Auf welche Reise sollte er gehen und wer könnte ihm den Sinn dieser Rolle entschlüsseln. “Jemand, der weiser ist als ich. Der Dich im Innersten berührt und mit Dir sprechen kann”, sagte der Vater.

David machte sich auf seine Reise und versuchte jemanden zu finden, der ihm helfen konnte. Nach mehreren erfolglosen Stationen gelangte er zu einem alten Mann, der in den Bergen lebte. Als David dem Mann sein Anliegen schilderte, stellte dieser ihm eine Aufgabe. Er solle die Leute fragen, was für sie Glück bedeute. Erst wenn er acht verschiedene Versionen gehört hätte, dürfe er wieder zurückkommen.

Nach zwei Tagen war die Aufgabe erfüllt. Der Mann wollte erfahren, was David herausgefunden hatte. David berichtete von einem älteren Mann, der sehr arm schien. Er beteuerte, dass er sich so lange kein Essen leisten könne, bis er einen Scheck von der Regierung bekäme. Er meinte, dass er glücklich wäre, wenn er mehr Geld hätte. „Wie hat diese Antwort auf Dich gewirkt?“ „Sie erschien mir unsinnig. Man kann mit Geld alles Mögliche kaufen, aber nicht das Glück. Viele arme Leute, die ich traf, waren genauso glücklich oder sogar noch glücklicher als reiche Leute. Tatsächlich hörte ich auf meiner Reise von einem reichen Mann, der Selbstmord begangen hat. Wenn man mit Geld allein glücklich wird, dann erkläre mir, warum er sich umbrachte.“ „Dafür gibt es keine Erklärung, es sei denn, Du lernst und glaubst, dass Glück nicht vom Geld abhängt, sondern von Dir selbst und Deiner Einstellung! Und was war die Zweite Antwort, die Du gefunden hast?“

„Ich traf einen Mann, der behauptete, dass er glücklich wäre, wenn er Ruhm erlangte. Er wollte Filmstar werden.“ „Erschien Dir diese Antwort sinnvoll?“ „Nein! Der Ruhm kann einen Menschen nicht glücklich machen, sonst wären alle Berühmtheiten glücklich. Meiner Meinung nach beschert der Ruhm zahlreiche Verpflichtungen und einige Vorteile, doch kein Glück.“

“Und wie lautet die dritte Antwort, auf die Du gestoßen bist?“ „Ich sprach mit einer jungen Frau, die allein in der Stadt lebt. Ich fragte sie, ob Geld und Ruhm sie glücklich machen würde, und sie sagte nein. Doch obwohl sie ein sehr angenehmes Leben führt, war sie ziemlich deprimiert. Erst wenn sie den richtigen Mann zum Heiraten finden würde, wäre sie glücklich.“ „Glaubst Du, dass sie Recht hatte?“ „Nein. Es ist zwar wichtig, den richtigen Lebenspartner zu haben, aber meiner Ansicht nach kann er einen nicht die ganze Zeit glücklich machen. Ich bin Menschen begegnet, die ihren Ehepartner liebten, aber das reichte nicht fürs Glück.“ „Wenn Du meinst, der andere Mensch könne Dich glücklich machen, ist das wie die Behauptung, jemand anders kontrolliere Deine Gefühle. Das Glücksgefühl hat aber seinen Ursprung im Inneren, nirgendwo sonst. Niemand außer Dir bestimmt darüber, wie Du Dich fühlst.“ Der Mann fuhr fort: „Berichte mir von der Frau, die eine gute Ehe führt und die trotzdem sagte, sie sei unglücklich?“

„Diese Frau bezeichnete ihren Ehepartner als den perfektesten Mann, den sie sich vorstellen könne. Aber glücklich wäre sie erst, wenn sie mehr Freunde hätte. Seit ihrer Kindheit habe sie davon geträumt, bei anderen beliebt zu sein, doch sie könne kaum Freunde finden. Trotz ihrer guten Ehe sei sie ziemlich einsam.“ „Freundschaften haben mit dem Glück nichts zu tun, einmal abgesehen davon, dass man mehr Freunde hat, wenn man glücklich ist.“

„Im Laufe meiner nächsten Begegnung lernte ich, dass auch viele Freunde das Glück nicht gewährleisten können. Die nächste Frau war bei allen sehr beliebt. Sie hatte mehr Freunde als irgendjemand sonst, den ich auf meiner Reise traf. Sie war umschwärmter als alle anderen Menschen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Aber als ich sie fragte, ob sie glücklich sei, schüttelte sie den Kopf. Sie ist sehr dick, und ihr Gesicht ist infolge einer Windpockenerkrankung in der Kindheit von Narben gekennzeichnet. Sie sagte, sie wäre glücklich, wenn sie ein attraktives Äußeres hätte. Sobald sie allein ist, weint sie.“ „Es ist sehr traurig, wenn die Leute sich nicht so akzeptieren, wie sie sind. Und noch schlimmer ist es, wenn sie glauben, etwas ändern zu müssen, damit sie endlich glücklich werden. Die Schönheit kann einen Menschen nicht glücklich machen – selbst schöne Menschen müssen lernen, glücklich zu sein.“

„Was hast Du gemacht, nachdem Du von der Frau fort gegangen bist?“ „Es war schon spät, und so fand ich eine Scheune, in der ich schlafen konnte. Dort stieß ich auf einen anderen Mann. Er war blind und hatte im Zweiten Weltkrieg ein Bein durch Amputation verloren. Er vegetierte als Bettler auf der Straße und war sehr unglücklich über sein Leben. Er sagte, wenn er keine körperliche Behinderung hätte, wäre er glücklich.“ „Viele Menschen erachten die körperliche Gesundheit als etwas Selbstverständliches. In der Sonne spazieren gehen, dem Rauschen des Flusses zuzuhören oder die Schönheit eines Sonnenunterganges zu bewundern – das sind einfache Vergnügen, von denen einige nur träumen können. Alle gesunden Leute sollten sich auf das konzentrieren, was sie haben, und genügend Zeit erübrigen, um es auszukosten. Das würde ihnen helfen, dankbar anzuerkennen, wie außergewöhnlich das Leben im Grunde ist. Dennoch haben diese einfachen Dinge nichts damit zu tun, ob jemand glücklich ist oder nicht. Eine körperliche Behinderung zerstört nicht unbedingt die Existenz eines Menschen. Das Glück ist nicht beschränkt auf die vollkommen Gesunden. Trotz all der körperlichen Gebrechen in der Welt kann man glücklich sein, wenn man sich danach sehnt. Hast Du am nächsten Tag Deine siebte Antwort gefunden?“

„Ja. Ich traf eine junge Frau, die gerade ihr Haus verkaufte. Sie sagte, es sei mit zu vielen Erinnerungen befrachtet. Ihr Mann war gestorben. Und sie betonte, wenn ihr Mann noch leben würde, wäre sie glücklich.“ „Aus dem gleichen Grund bist auch Du unglücklich. Du hast bestimmt sehr gut nachvollziehen können, wie sie sich fühlte. Seit es den Menschen gibt, fürchtet er den Tod. Doch der Tod ist nicht das Ende des Lebens, sondern der Beginn eines neuen Lebens. Man sollte sich klarmachen, dass der verstorbene Mensch nicht völlig verschwunden ist. Er hat sich in etwas viel Größeres verwandelt. Bald wird dann die Trauer von eben dem Gefühl abgelöst, das Du gerne empfinden möchtest, und entgegen Deinen Befürchtungen kannst Du wieder glücklich sein. Vielleicht nicht sofort, aber gewiss im Laufe der Zeit. Wenn Du daran zweifelst, so frage Dich einfach: Glaube ich wirklich, dass der Verstorbene mich unglücklich sehen will? Wenn die Antwort ‘Nein’ lautet, musst Du Dich bemühen, glücklich zu werden und dadurch diesen Verstorbenen ehren. Berichte mir von der letzten Möglichkeit, glücklich zu sein.“

„Ich brauchte fast den ganzen Tag, aber schließlich fand ich jemanden, der ein anderes Motiv hatte. Er sagte, er mache sich Sorgen über den Frieden, über die Umwelt, über diese und jenes. Und er beteuerte, wenn all die damit zusammenhängenden Probleme gelöst würden, wäre er glücklich.“ „Hatte er Deiner Meinung nach Recht?“ „Nein. Sein Motiv unterschied sich letztlich nicht von den der anderen. Das Glück hängt nicht davon ab, was in der Welt passiert, sondern davon, wie man sie wahrnimmt.”

Der Mann lächelte David freundlich an. „Nimm die Rolle und breite sie vor Dir aus. Sag mir, was Du auf dem ersten Bild siehst.“ „Ich sehe Iktumi, die ein Adler fressen will.“ „Weißt Du was über Iktumi und den Adler?“ „Iktumi ist eine hinterlistige Spinne. Sie benutzt gewisse Tricks, um die Menschen zu beeinflussen. Sie ist eine Lügnerin. Unser Schöpfer hingegen spricht zu uns und allen Menschen durch den Adler. Der Adler ist die Wahrheit.“ „Gut. Aber was verbindet Deine Reise mit Iktumi?“ „Iktumi hat acht Beine und ich habe acht verschiedene Möglichkeiten, um glücklich zu sein.“ „Sind dies die wahren Wege zum Glück?“ „Für die meisten Menschen schon, aber sie sind nicht wahr! Offenbar brauchte jeder etwas anderes, um glücklich zu sein. Geld, Ruhm, Beziehungen – all diese Faktoren wurden genannt, doch ich konnte mir unzählige Beispiele vorstellen, die zeigten, dass sie nicht der Wahrheit entsprachen. Solche Lügen benutzt Iktumi, um auf den Geist eines Menschen einzuwirken! Die Spinne will nicht, dass Leute glücklich sind. Vielmehr will sie ihnen beibringen, dass Glück stets außer Reichweite ist.“

„Auf welche Weise aber wirst Du auf dem Bild dargestellt?“ „Durch den Adler?“ „Genau. Warum?“ „Weil ich die Lügen der Spinne nicht glaube! Ich habe beschlossen, mich in den Adler zu verwandeln, die Lügen aus meinem Leben zu verbannen und sie durch die Wahrheit zu ersetzen.“ „Die Wahrheit ist wunderbar und doch einfach: Du allein bist verantwortlich für Dein Glück. Du allein bestimmst darüber, wie Du Dich fühlst. Nichts und niemand kann das für Dich tun. Sei dankbar für das, was Du hast, anstatt Dich darauf zu fixieren, was Du nicht hast.
Der Mann zählte die Lügen Iktumis auf:

“Wenn ich nur Reichtum besäße, dann wäre ich glücklich.

Wenn ich nur Ruhm erlangen würde, dann wäre ich glücklich.

Wenn ich nur den richtigen Ehepartner finden könnte, dann wäre ich glücklich.

Wenn ich nur mehr Freunde hätte, dann wäre ich glücklich.

Wenn ich nur ein attraktiveres Äußeres hätte, dann wäre ich glücklich.

Wenn ich nur keine körperliche Behinderung hätte, dann wäre ich glücklich.

Wenn nur der geliebte Mensch nicht gestorben wäre, dann wäre ich glücklich.

Wenn nur die Welt ein friedlicherer Ort wäre, dann wäre ich glücklich.

All das ist falsch! Du kannst glücklich sein, wenn Du es wirklich willst.

(Auszug eines Vortrages von Udo Michaelis am 07.09.2008 in Borgholzhausen)

Foto © : Dieter Schütz / PIXELIO

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