Mitten im Zentrum einer ostwestfälischen Kleinstadt steht sie - die Haller Herz-Apotheke.
Wenn man sie betritt, wird man von aufmerksamen Mitarbeitern freundlich
und kompetent bedient. Das ist allerdings nicht der Punkt, wo sich
diese Apotheke entscheidend von den Mitbewerbern abhebt. Man kann
wirklich nicht sagen, dass man in den anderen Haller Apotheken auf
schlecht gelauntes Personal trifft, das wenig von der Materie versteht.
Nein, eigentlich genießt die Branche im Ort einen guten Ruf - zu Recht,
wie ich finde. Eine der erwähnenswerten Leistungen der Haller
Herz-Apotheke liegt in der Betrachtungsweise des Themas “Gesundheit”.
Daraus ergibt sich eine sehr wirkungsvolle andere Art und Weise, die
Kunden zu beraten. Die ist wesentlich hilfreicher, als einfach nur die
“Schachtel mit den passenden Pillen” rüber zu schieben. Das folgende
Interview mit dem Inhaber, Axel Schlüter, gibt dazu einige
aufschlussreiche Aspekte.
Udo Michaelis: “Axel, Du stellst Dich am besten erst einmal selbst vor.”
Axel Schlüter: “Ich bin 46 Jahre alt und nicht der einzige Apotheker
in der Familie. Meine Frau Edeltraut ist Inhaberin der Osning-Apotheke
in Halle. Wir haben gemeinsam drei Kinder. Nach dem Abi studierte ich
Pharmazie. Bevor ich mich selbstständig machte, arbeitete ich in
verschiedenen Apotheken. Während meiner letzten Stelle studierte ich
berufsbegleitend drei Semester Gesundheitswissenschaften. Dieses Studium
hat meine spätere Berufsauffassung stark geprägt.”
“Wodurch kam diese Prägung zu Ausdruck?”
“Vorher betrachtete ich den Menschen von seiner Krankheit her. Es gab
Symptome, die bekämpft und im besten Fall beseitigt werden konnten. Das
Studium der Gesundheitswissenschaften vermittelte mir eine mehr
ganzheitliche Sicht des Menschen. Es wurde erforscht, was gesund erhält
und nicht der Schwerpunkt auf die Krankheiten an sich gelegt.”
“Du verkaufst aber doch selbst Mittel, die zum Bekämpfen von Krankheiten beitragen sollen.”
“Das stimmt! Arzneimittel und Schulmedizin haben selbstverständlich
ihre Existenzberechtigung und sind in vielen Fällen sicherlich
hilfreich. In ernsten Situationen können sie sogar lebensrettend sein.
Es gibt jedoch auch Grenzen. Pillen schlucken lindert oft Schmerzen,
setzt aber nicht an der Ursache an.”
“Wie sähe ein Beispiel aus, um das zu verdeutlichen?”
“Stresskrankheiten sind heute in aller Munde. Stress setzt im Körper
Adrenalin frei und erhöht den Blutdruck. Durch eine vermehrte
Cortisonproduktion steigt der Blutzuckerspiegel. Darüber hinaus gibt es
eine Reihe weiterer chemischer Reaktionen im menschlichen Körper, die
gesundheitliche Probleme bewirken können. Der Mensch wird daraufhin
krank und versucht mit entsprechenden Mitteln die Krankheiten auf ein
Maß zu reduzieren, das ihn wieder funktionsfähig macht. Wenn er aber
nicht an der Ursache - nämlich dem Stress selbst - ansetzt, wird er
keine wirkliche Heilung erfahren.”
“Wie sollte man konkret bei Stress an der Ursache ansetzen?”
“Situationen, die wir als stressig erleben, können von uns
unterschiedlich bewertet werden. Nehmen wir an, Du hättest
Schwierigkeiten mit einem äußerst unangenehmen Kunden. Der würde Dich
vielleicht runterputzen oder Dir mit schmerzhaften Konsequenzen drohen,
falls Du seinen Forderungen nicht nachgibst. Das Erlebnis selbst löst
keinen Stress aus, sondern die Bewertung der Situation. Es ist Deine
freie Wahl, wie Du auf dieses Ereignis reagieren willst. Du kannst Dich
über den Kunden ärgern und aggressiv reagieren. Es gäbe weitere
Möglichkeiten, ihm beispielsweise Grenzen aufzuzeigen oder ihn vor die
Wand laufen zu lassen. Du könntest aber auch versuchen, diesem Kunden
mit Verständnis zu begegnen. Vielleicht hatte er einfach nur einen
schlechten Tag oder steht selbst massiv unter Druck, den er nicht
kontrollieren kann, und jetzt Du bist in sein Schussfeld geraten.
Sicherlich ist es anfangs oft nicht so einfach, bei schwierigen
Ereignissen gelassen zu bleiben. Ich gebe zu, dass mir das auch nicht
immer gelingt. Es ist aber wie bei allen Gewohnheiten, die man verändern
möchte. Am Anfang steht die Erkenntnis, dass eine neue Verhaltensweise
für Dich und oft auch für andere Vorteile bringen kann. Du handelst
entsprechend dieser Erkenntnis und machst positive Erfahrungen. Die
Bestätigungen, die Du jetzt erfährst, erhöhen wiederum Deine Motivation,
auf diese Weise weiter zu machen. Irgendwann wird das neue Verhalten
zur Gewohnheit.”
“Funktioniert das denn immer?”
“Nein, weil oft nicht genügend Energie vorhanden ist, diesen Prozess
in Bewegung zu halten. Die Energie, die zur Veränderung der eigenen
Lebensumstände erforderlich ist, wird oft durch Hemmnisse reduziert.
Aber auch hier gibt es Möglichkeiten, sein Energiepotential zu
steigern.”
“Zum Beispiel?”
“Wir machen uns viel zu wenig bewusst, welchen Einflüssen wir uns
ungefiltert aussetzen und welche Auswirkungen diese auf unser Denken,
Fühlen und Handeln haben. Wenn wir uns z. B. jeden Abend Horror- oder
Gewaltfilme ansehen, dann hat das Konsequenzen. Wir sind wahrscheinlich
aggressiver und nervöser. Wer sich ständig heftige Pornofilme reinzieht,
braucht sich nicht zu wundern, wenn er eine ausgeartete sexuelle
Phantasie hat. Andererseits gibt es Filme, bei denen man anschließend
gut gelaunt oder entspannt ist. Manche Filme hatten bei mir eine
ähnliche Wirkung wie eine gute Predigt. ‘Chocolat’ beispielsweise
empfand ich als sehr aufbauend. Wir sollten uns mehr mit den Dingen
beschäftigen, die uns Energie liefern.”
“Du meinst also, dass wir durch die Art und Weise, wie wir unseren Alltag leben, unsere Gesundheit beeinflussen können?”
“Auf jeden Fall! Oft sind es einfache Dinge, die zur Gesundheit
beitragen. Wer in einem intakten Umfeld lebt, eine stabile Familie hat
und einen erfüllenden Beruf ausübt, hat größte Chancen auf eine gute
Gesundheit. Es gibt auch Untersuchungen, dass Menschen mit Gottvertrauen
gesünder sind als der Durchschnitt. Ich glaube allerdings, dass es
sowohl einen gesund machenden als auch einen krank machenden Glauben
gibt.”
“Worin liegt der Unterschied?”
“Im Gottesbild
und der persönlichen Bedeutung des Glaubens! Ich kenne Menschen, die
durch die Hinwendung an Gott befreiter und glücklicher geworden sind.
Durch ihre Glaubenserfahrungen entwickelt sich ein Urvertrauen, ein
Gefühl der Geborgenheit und der Glaube an einen wohlwollenden und
liebenden Schöpfer. Diese Menschen sind gesundheitlich tendenziell
stabiler. Bei manchen Leuten ist der Glaube von permanenter Angst
gekennzeichnet. Sie leben eine dogmatische Gesetzlichkeit, die in erster
Linie im Einhalten sinnloser religiöser Normen besteht. Sie gestehen
sich und anderen nicht zu, auch mal Fehler machen zu dürfen und sind
deswegen unbarmherzig gegen sich und andere. Oder sie haben sich diese
Pflichten von religiösen Führern auferlegen lassen. Dieses ‘müssen’,
‘nicht dürfen’ und die ständige Angst, etwas falsch zu machen und dafür
von Gott bestraft zu werden, löst bei manchen Menschen gewaltigen Stress
aus. Solch eine Religiosität bezeichne ich als ‘krank machenden
Glauben’. Andererseits gibt es auch viele Menschen, die Böses ohne das
geringste Schuldbewusstsein tun. Deswegen ist es mir wichtig
hinzuzufügen, dass es selbstverständlich auch viele wichtige und
sinnvolle Gebote und Verbote (z.B. die ‘Zehn Gebote’) gibt.”
“In der christlichen Terminologie gibt es Begriffe wie
‘Schuld’ und ‘Buße’. Führen diese manche Gläubige nicht geradezu in eine
sogenannte ‘ekklesiogene Neurose’?”
“Diese Schlussfolgerung wäre mir zu einseitig! Es ist eher die Frage,
wie ich diese Begriffe einordne. Ich sehe mich als Mensch, der Fehler
macht und gestehe mir dieses auch zu. Ich finde es hilfreich, mein Leben
zu reflektieren, um Fehler und Versäumnisse zu erkennen. Das gibt mir
die Möglichkeit, mich zu verändern und weiter zu entwickeln. Ich habe
den Buß- und Bettag, der bei uns inzwischen kein Feiertag mehr ist, dazu
genutzt. An diesem Tag war meine Apotheke geschlossen, was manche
vielleicht irritiert hat. Aber mir ist es wichtig auch meine
Verantwortung zu erkennen, statt immer nur die Fehler bei anderen zu
suchen. Alle meine Gedanken, Taten und Entscheidungen haben Konsequenzen
für mein Leben und das Leben Anderer. Leider schieben viele Menschen
diese Verantwortung von sich weg. Wenn etwas nicht nach Plan läuft, dann
geben sie dem bösen Nachbarn die Schuld, oder dem Chef, der Regierung
oder sonst wem. Sie hadern lieber mit ihrem Schicksal, als ihr Leben
eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen.”
“Kann ich durch den ‘gesund machenden Glauben’ und Eigenverantwortlichkeit jedes gewünschte Resultat in meinem Leben erzielen?”
“Man sollte versuchen, verschiedene Aspekte zu vereinen, um zu einer
ausgewogenen Haltung zu kommen. Zum einen unterschätzen wir oft unser
schöpferisches Potential und begeben und stattdessen in eine Opferrolle.
Andererseits wehre ich mich gegen ein Allmachtsdenken nach dem Motto:
‘Ich muss nur an der richtigen Schraube drehen und bekomme dann das
gewollte Resultat’. Gerade in der Medizin ist dieses Denken weit
verbreitet. Trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse über Krankheiten
müssen wir uns eingestehen, dass uns vieles unbekannt ist. Wieso
erkrankt ein mit Borreliose-Erreger infizierter Mensch und ein anderer
nicht? Wir wissen, dass es Autoimmunerkrankungen
gibt, bei denen sich das Immunsystem gegen die körpereigenen Zellen
richtet. Weshalb das jedoch geschieht, liegt noch völlig im Dunklen. Ich
würde mir einen demütigeren Umgang mit derartigen schwierigen
Sachverhalten wünschen, anstelle eines besserwisserhaften Auftreten
gegenüber den Hilfesuchenden. Denn letzten Endes ist doch der Mensch
wichtiger als alle Theorien oder wissenschaftliche Forschungen.”
“Was bedeutet ‘Mensch sein’ für Dich?”
“Meinen Platz in der Welt zu erkennen und gemäß meiner Gaben
auszufüllen! Dabei wird die Bedeutung der äußeren Umstände überschätzt.
Materielle Dinge wie Geld sehe ich als Mittel zum Zweck, um meine
Aufgaben wahrnehmen zu können. Diejenigen, die ständig dem Geld
hinterher jagen, tun dies aus der Angst heraus, zu kurz zu kommen. Über
viel Geld zu verfügen ist nicht unmoralisch. Wer jedoch lediglich Geld
anhäuft, hat meiner Meinung nach seinen Lebenssinn verfehlt. Wer bereit
ist, sein Geld fließen zu lassen, kann damit viel Gutes bewirken. Die
Angst, zu kurz zu kommen, kann man auch durch das Bewusstsein verlieren,
dass unser jetziges irdisches Leben nicht alles ist. Diese Erkenntnis
befreit von falschen Maßstäben an das Leben und von Egozentrik. Anderen
etwas zu geben oder zu helfen gehört zum ‘Mensch sein’ dazu. Es ist
interessant, dass man dabei innere Zufriedenheit verspürt. Man kann auf
diese Weise sogar etwas für sein eigenes Glück tun.”
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