Donnerstag, 17. März 2022

Wie wir ukrainischen Flüchtlingen helfen

Aus Scheiße entsteht manchmal Dünger! 💩 Ich habe mir eine Covid-Infektion eingefangen und mir ging es einige Tage ziemlich beschissen. Was sich allerdings aus unserer Quarantänesituation heraus entwickelt hat, möchte ich nicht missen.

Sollte mein vorübergehendes Unwohlsein der Preis dafür gewesen sein, einigen ukrainischen Flüchtlingen in ihrer Not beizustehen und ihnen zu einem menschenwürdigen Leben in Frieden und Sicherheit zu verhelfen, dann steht es für mich außer Frage: Das war es wert! 👍

In Sachen Ukraine waren wir schon vorher aktiv. Wir haben Hilfsgüter gesammelt, die wurden in der Firma vom Schwiegervater meiner Stieftochter gelagert und dann mit 3 Transportern in die Ukraine geschafft. Das wurde jetzt gestoppt, wir kommen nicht mehr rüber.


Meine Frau bekam einen Anruf, ob sie eine Idee hätte, wo man 6 Nigerianer unterbringen könne, die in der Ukraine studieren und nun auf der Flucht sind. Während des Telefongespräches war gerade mein Stiefsohn zu Besuch. Noch am Vorabend sagte ein anderer Helfer bei der Verladung der Hilfstransporte zu ihm, falls mal dringend Flüchtlinge untergebracht werden müssen, hätte er einen Ansprechpartner, der sich darum kümmert, dass die Menschen in eigene Wohnungen oder bei Familien unterkommen. Es hat geklappt: Die nigerianischen Studenten waren die ersten, denen wir auf diese Weise helfen konnten.

Dann schlug Corona zu! Mit einem CT-Wert von 17,5 war meine Viruslast sehr hoch. Meine Frau arbeitet als MFA und ihr Chef hatte für sie eine Quarantäne als Vorsichtsmaßnahme angeordnet, denn er wollte kein unnötiges Risiko für seine Praxis eingehen. Inzwischen hatte sich ein Kontakt zu einer Flüchtlingshelferin aus Köln ergeben. Dort versucht man händeringend Unterkünfte zu finden. Köln ist dermaßen überlaufen, dass die Helfer nicht wissen, wo sie die vielen Menschen unterbringen sollen. Meine Frau hat daraufhin Hilfe angeboten, indem wir Unterkünfte im Siegerland organisieren und auf diese Weise Köln entlasten konnten.

Nun stand das Telefon nicht mehr still! Die Flüchtlingshelfer geben die Nummer von meiner Frau an die Flüchtlinge weiter, diese nehmen Kontakt mit ihr auf, telefonisch oder per WhatsApp, teilweise auf Englisch, teilweise auf Deutsch mittels Google-Übersetzer. Als dann eine Nachricht auf Russisch kam, hat sie jemanden gesucht, der uns in dieser Hinsicht helfen konnte. Auch das klappt mittlerweile gut, denn wir haben eine russischsprechende Frau mit ins Boot geholt, die die Texte übersetzt und Sprachnachrichten in russischer Sprache für die Flüchtlinge aufspricht. Die andere Seite muss natürlich auch organisiert werden: Es wird Kontakt zu Leuten hergestellt, die Wohnungen zur Verfügung stellen oder Personen in ihrer eigenen Wohnung unterbringen können. Das alles ist sehr arbeitsintensiv, es wird Kontakt zu den Flüchtlingen gehalten, wann sie wo ankommen, dann muss organisiert werden, dass sie jemand vom Bahnhof abholt und zur entsprechenden Unterkunft bringt. Einige werden zunächst in einer Massenunterkunft untergebracht, weil sie vielleicht mitten in der Nacht ankommen oder momentan keine andere Möglichkeit besteht.

Dann erleben wir manchmal Dinge, bei denen wir plötzlich improvisieren müssen. Eine ukrainische Frau wartete mit ihrem Kind am Siegener Bahnhof darauf, von einem Mann abgeholt zu werden. Der kam aber nicht selbst, sondern schickte stattdessen eine Frau. Als diese auf die Flüchtlinge zuging und sie ansprach, schüttelte die Ukrainerin heftig den Kopf, rief immerzu „Njet“ und zitterte am ganzen Körper. Die Frau hat dann ein Foto von sich gemacht, dieses an meine Frau geschickt und sie hat es an die Ukrainerin weitergeleitet und dazu geschrieben, dass diese Frau sie abholt und alles okay ist. Schließlich ist es gelungen, diese traumatisierte Frau zu beruhigen.

Etwas Ähnliches kommt immer wieder vor und an manchen Tagen ist das fast ein Vollzeitjob. Insofern wäre unser Engagement neben der normalen Arbeit in diesem Ausmaß überhaupt nicht möglich gewesen und eigentlich hat das nur die Quarantäne ermöglicht. Die Hauptlast liegt dabei eindeutig auf meiner Frau, denn ich selbst war durch die Covid-Infektion echt platt, konnte mich kaum beteiligen und habe nur hier und da bei der Kommunikation in Englisch geholfen. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass meine Frau die ganze Zeit trotz Kontakt zu mir Covid negativ geblieben ist. Keine Ahnung, welcher Engel in welcher Himmelsregion das und das Timing mit der Quarantäne eingefädelt hat, aber wir sind ihm dankbar dafür. 😊

Wir haben auch einige Dramen erlebt: Eine Familie war auf dem Weg zu uns und sie sind in Bayern steckengeblieben, weil der Großvater die Strapazen nicht überstanden hat und nicht weiterreisen konnte, er muss jetzt im Krankenhaus medizinisch betreut werden. Eine andere Familie hat es über die Grenze nach Deutschland geschafft und bekam dann die Nachricht, dass der Vater der Kinder bei der Verteidigung gegen die russischen Soldaten ums Leben gekommen ist. So was ist heftig! 😥

Wir erleben momentan eine Wandlung in unserer Flüchtlingsarbeit: Die, denen geholfen wurde, helfen anderen – Ukrainer helfen Ukrainern. Es sind Menschen,
die schlimmes Leid erfahren haben und die sich ihre Würde bewahrt haben.

Sie sind für andere da und packen mit an, sie wollen es selbst so! Und heute wird im großen Stil gekocht. Es gibt Borschtsch – ich bin gespannt, wie es schmeckt! 😊

Fotos:
“Peace Flag Ukraine” 
©: Bernd Wachtmeister / PIXELIO
"Hilfstransporte Ukraine" ©: Lars Langenbach
“Borschtsch 1” ©: W. R. Wagner / PIXELIO

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