Montag, 7. Oktober:
Schönster Altweibersommer. Noch einmal Menschen in T-Shirts und Sandalen
in den Straßencafés und Biergärten. Bisher keine besonderen
Vorkommnisse in der Innenstadt. Dann plötzlich um 10.47 Uhr kommt der
Befehl von ALDI-Geschäftsführer Erich B.: “Fünf Paletten Lebkuchen und
Spekulatius in den Eingangsbereich!” Von nun an überschlagen sich die
Ereignisse. Zunächst reagiert LIDL-Geschäftsführer Martin O. eher
halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln
an der Kasse.
15.07 Uhr:
EDEKA-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.
16.21 Uhr:
Die Filialen von TSCHIBO und NORMA bekommen Kenntnis von der
Offensive, können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegen
halten und fordern ein Weihnachtsstillstandsabkommen bis zum 12.
Oktober. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.
Dienstag, 8. Oktober, 7.30 Uhr:
Im Eingangsbereich von KARSTADT bezieht überraschend ein Esel mit
Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom
studentischen Nikolausdienst vorbei hastende Schulkinder zu ihren
Weihnachtswünschen verhören. Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im
gleissenden Schein von 260000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz
kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen, immerhin haben jetzt auch REAL,
NETTO und LIDL den Ernst der Lage erkannt.
Mittwoch, 9. Oktober, 9.00 Uhr:
EDEKA setzt Krippenfiguren ins Gemüse.
9.12 Uhr:
LIDL kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal.
12.00 Uhr: Neue Dienstanweisung bei NETTO: An der Käsetheke wird mit
sofortiger Wirkung ein “Frohes Fest” gewünscht. Der REAL-Markt kündigt
für den Nachmittag Vergeltungsmassnahmen an.
Donnerstag, 10. Oktober, 7.00 Uhr:
KARSTADT schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.
8.00 Uhr:
In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte NORMA-Geschäftsführer Walter T. von seinen Mitarbeitern lautstark
“Weihnachten bis zum Äußersten!” und verfügt den pausenlosen Einsatz der
von der Konkurrenz gefürchteten CD “Weihnachten mit Mireille Matthieu”
über Deckenlautsprecher. Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.
Freitag, 11. Oktober, 8.00 Uhr:
Anwohner in der Eiserfelder Strasse versuchen mit einer einstweiligen
Verfügung, die nun auch vom REAL-Markt angedrohte Musik-Offensive
“Heiligabend mit den Flippers” zu stoppen.
9.14 Uhr:
Ein ALDI-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor
Adveniat, der gerade vor KARSTADT zum grossen Weihnachtsoratorium
ansetzen wollte.
9.30 Uhr:
ALDI dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern um Christbaumkugeln gehandelt.
Samstag 12. Oktober:
Die Fronten verhärten sich; die Strategien werden zunehmend aggressiver.
10.37 Uhr:
Auf dem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu
Protokoll, sie sei soeben auf dem NETTO-Parkplatz zum Verzehr von
Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos.
12.00 Uhr:
Seit gut einer halben Stunde beschießen KARSTADT, EDEKA und TSCHIBO die
Fussgängerzone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und
Streupflicht an. Umsonst.
14.30 Uhr:
Weite Teile der Innenstadt sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel
des Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen -
Menschen, wie Du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln
wollten.
Diese nette Geschichte stammt aus “Arnos Advents- und Why-nachtsbuch” von Arno Backhaus. Ich habe lediglich die Daten an den diesjährigen Kalender angepasst und die Namen einiger Handelsketten ausgetauscht.
Foto © : Ruth Rudolph / PIXELIO
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen