Donnerstag, 14. März 2013

Die Wise Guys mit "Zwei Welten" - eine etwas andere Rezension

Die Wise Guys live in Siegen
Ja, ich bin Fan der Wise Guys und finde, dass sie zu recht als die beste Vocal-Pop-Band Deutschlands bezeichnet wird. Ich war auf ihrem Konzert in Siegen im November 2012, auf dem davor ebenfalls und auch für das kommende im November 2013 habe ich mir schon ein Jahr im voraus eine Karte gekauft. Nein, das hier soll keine gewöhnliche Rezension zu den beiden Versionen der "Zwei Welten" werden. Die könnt Ihr woanders lesen, z.B. bei Wikipedia, Focus, Web.de. Oder noch besser, Ihr schaut Euch unter wiseguys.de an, was die Band selbst darüber geschrieben hat. Ich möchte die Sache ein wenig anders gestalten.

Im Mai 2012 erschien "Zwei Welten" als ein für die Wise Guys übliches A-capella-Album. Im September wurde das Ganze dann als instrumentiertes Album veröffentlicht. Die Songauswahl ist auf beiden CDs nicht ganz identisch: Drei Titel der A-capella-CD sind nicht auf der instrumentierten vertreten, dafür vier andere Songs, die zuvor auf früheren Alben als A-capella-Version erschienen sind.

Ich nehme nun die Songs vom instrumentierten Album einzeln unter die Lupe, vergleiche sie mit der jeweiligen A-capella-Fassung und bewerte sie folgendermaßen:
  • 0 = kannste vergessen
  • 1 = nicht so besonders
  • 2 = ganz passabel
  • 3 = gut
  • 4 = sehr gut
  • 5 = das perfekte Meisterwerk
Die erste Zahl gilt jeweils für die A-capella und die zweite für die instrumentierte Version. Ich habe auch Zwischenwerte vergeben, ansonsten hätte ich die manchmal geringen qualitativen Unterschiede nicht herausstellen können.

Die Sonne scheint mir auf den Bauch
Im Vergleich zu den anderen Songs gehört das Lied zu den etwas schwächeren Titel. Die A-capella Version finde ich durch den von Ferenc gesungenen Bass und das gute Mouthdrumming grooviger. Das nette Bläserarrangement bei der instrumentierten Fassung gleicht die Sache zum Unentschieden aus.

Song 2 : 2

Zwei Welten
Ein starker Song, in beiden Versionen. Bei den Strophen kommt der gesungene Bass besser als der gespielte, und das Mouthdrumming topt ebenfalls die realen Drums. Das wird durch die Instrumental-Power im Refrain kompensiert. Dort gefällt mir besonders die dynamische Overdrive-Gitarre. Unterm Strich deshalb wieder ein Unentschieden.

Song 3,5 : 3,5
Gesamt 5,5 : 5,5

Ich bin aus Hürth
Aggro Hürth
Dieses Stück groovt in beiden Versionen ordentlich. Mir gefällt die instrumentierte einen Tick besser. Dort gibt es vielfältigere Harmonien (beim A-capella hängen die Strophen ausschließlich auf dem E-Dur-Akkord) und die Hintergrundeffekte sind cool (besonders ab 2 Min. 15). Der Text ist eine witzige Parodie auf jugendliche Kuhkaff-Gangster, die sich für harte Ghetto-Typen halten. Nach dem Konzert in Siegen meinte ich zu Sari, man würde merken, dass ihm diese "Aggro-Hürth-Nummer" einen unglaublichen Spaß macht. Er daraufhin augenzwinkernd: "Ja, stimmt - und jetzt darf ich endlich mal zeigen, was ich wirklich kann!"

Sari und Udo
Wenn man Sari und mich so nett auf dem Foto sieht, könnte man vielleicht meinen, wir wären alte Kumpels. Ganz so ist es nicht. Eigentlich kenne ich Sari und seine Kollegen so richtig nur zu 50 % - das heißt, ich kenne sie, sie mich aber nicht. Ist doch nett, dass sie trotzdem mit mir reden, oder? Das Bild ist leider verwackelt. Das liegt daran, dass Eddie gerade in der Nähe stand. Carmen war so aufgeregt, dass sie die Kamera nicht mehr stillhalten konnte.

Song 3,5 : 4
Gesamt 9 : 9,5

 

Ich weiß nicht, was ich will
Nils' Stimme kommt gut, aber ansonsten ist der Song keine Offenbarung. Als A-capella vielleicht noch ganz nett, erreicht er mich instrumentiert nicht wirklich. Besser finde ich, dass nur in den Strophen nach dem G-Dur Grundakkord ein H-Moll anstelle des D-Dur gespielt wird. Aber das sind Peanuts und interessiert am Rande höchstens komponierende oder arrangierende Musiker. Auf jeden Fall reisst es das nicht hoch.

Song 2 : 1,5
Gesamt 11 : 11

Lauter
Dynamisches Stück. Wegen der rockigen Stromgitarre gibts 'nen halben Punkt mehr für die instrumentierte Version.

Song 3 : 3,5
Gesamt 14 : 14,5

Tanzen im Regen
Ein eher unauffälliger Song, aber sonst ganz nett. Mouthdrumming gefällt mir besser als das Schlagzeug.

Song 3 : 2,5
Gesamt 17 : 17

Deutsche Bahn
Der Song macht einfach Spaß! Der Text ist witzig und Sari passt als Leadsänger wie die Faust aufs Auge. Das Stück swingt, was das Zeug hält. Zwei kleine Unterschiede sind mir erst aufgefallen, als ich mir für diesen Beitrag beide Versionen mehrmals direkt hintereinander angehört habe: Instrumentiert ist die Tonart nicht E-Dur, wie beim A-capella, sondern einen Halbton tiefer. Außerdem ist die BPM-Rate einen Tick geringer (d.h. das Tempo läuft ein wenig langsamer). Aber im Grunde ist das wurscht, weil es so oder so sehr gut klingt. Das Big-Band-Arragement - besonders die Bläser - finde ich so genial, dass es für die instrumentierte Version noch ein halbes Pünktchen mehr gibt. Das hätte selbst Tommy Dorsey nicht besser hingekriegt.

Song 4 : 4,5
Gesamt 21 : 21,5

 

Nach Hause
Dän und Udo
Ein schöner Song, den Dän sehr gefühlvoll rüberbringt. Der Text ist ausdrucksstark. Bei der instrumentierten Version gefällt mir besonders gut, dass der Refrain immer zweistimmig gesungen wird, was bei der A-capella Version nur ganz zum Schluss der Fall ist. Ansonsten sind beide Versionen gleich gut, deshalb unentschieden.

Das Bild mit Dän (der an diesem Tag Geburtstag hatte) und mir ist ein wenig verwackelt. Eddi ging an uns vorbei und da konnte Carmen sich nicht mehr richtig konzentrieren.

Song 3,5 : 3,5
Gesamt 24,5 : 25

Schönen guten Morgen
Das Video dazu ist zum Brüllen - mindestens genauso lustig wie "Ich bin aus Hürth" - schauspielerisch guter Slapstick. Die Strophen sind sehr seicht und dann rockt das Stück im Refrain richtig ab (wohlgemerkt bei der A-capella Version). Dadurch entsteht ein ulkiger Kontrast innerhalb des Songs.

Kurz bevor die instrumentierte Fassung erschien, stellte ich mir in meiner Fantasie vor, wie der Sound mit den Instrumenten klingen könnte. Als der Song dann wirklich draußen war, war ich vom Refrain ein wenig enttäuscht. Da hätte man mehr daraus machen können. Schauen wir uns dazu mal die Drums an (Achtung, für Nichtmusiker wird's nun kompliziert! Wer keinen Bock darauf hat, kann den Absatz ja überspringen):

A-capella wird in jedem zweiten Takt per Mouthdrumming jeweils mit zwei Viertelnoten die "Drei" (also die Worte "zu", "ruh", "wach" und "Krach") und direkt danach die "Vier" betont. Die imitierte Snare kommt dabei ziemlich wuchtig rüber. Das rockt! Bei der instrumentierten Version fehlt genau dieser Effekt, denn der Drummer lässt die "Vier" komplett weg. Die Takte 10 und 12 haben zwar einen "Doppelschlag" (in der gesangfreien Phase nach "Morgen"), das hat aber durch die unterschiedlichen Notenwerte eine andere Wirkung (auf der"Drei" liegt nur eine Achtel und der zweite Schlag kommt dann entsprechend früher). Die knallige Wirkung der A-capella Aufnahme hätte man nicht nur beibehalten, sondern mit den Instrumenten sogar noch verstärken können. Ich hätte die Snare so richtig krachen lassen, am besten mit beiden Sticks gleichzeitig auf "Drei" und auf "Vier", ordentlich Hall und etwas Echo draufgelegt, die Delay-Verzögerungszeit ziemlich kurz eingestellt bei nur einem Repeat. So in etwa. Die genauen Einstellungen kann man im Tonstudio austüfteln.

Das war nur ein Detail. Es gäbe noch mehr Möglichkeiten zum Optimieren, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Natürlich entspringen diese Vorstellungen meinem subjektiven Geschmack. Und das könnt Ihr, liebe Wise Guys, ja durchaus anders sehen. Seht mein Geschreibsel einfach als Feedback. Meine Lobeshymnen kommen übrigens später noch.

Song 3,5 : 2,5
Gesamt 28 : 27,5

 

Radio
Dieser "eingewechselte" Song stammt ursprünglich vom 2006 erschienenen gleichnamigen Album. Damals gefiel er mir schon recht gut. Nun bekommt er nun durch die gelungene Instrumentierung noch eine Portion mehr Drive. Sehr schönes Stück!

Song 3 : 4
Gesamt 31 : 31,5

Das war nicht geplant
Nils und Udo
Klasse Nils! Du hast so viel Gefühl in diesen Song reingepackt und Dich damit selbst übertroffen. Beide Versionen sind richtig gut gelungen. Beim Live-Konzert klang es so ähnlich, wie auf dem instrumentierten Album. Die Wise Guys sind hier nur zu dritt aufgetreten: Nils als Leadsänger, Dän an der Gitarre, und Eddi hat Mandoline gespielt. Manchmal ist weniger mehr. Das Lied ist ein Beispiel dafür, wie man auch mit einer relativ schlichten Instrumentierung eine tolle Atmosphäre zaubern kann. Der letzte Teil lässt das Stück durch den dreistimmigen Gesang sehr wohlig ausklingen.

Das Bild mit Nils ist ausnahmsweise mal nicht verwackelt, denn Eddie war diesmal irgendwo anders.

Song 4 : 4
Gesamt 35 : 35,5

Tief im Süden
Ich liebe diesen Song! Der Text ist grandios. Hier der Refrain:

"Eine andere Welt, eine andere Zeit.
Die Sonne gibt den Takt an, der Himmel ist weit.
Die Kunst zu leben, ohne zu ermüden.
Tief im Süden.
Eine andere Welt, ein anderes Land.
Total entschleunigt, völlig entspannt.
Keine Show, kein Getue, keine Plattitüden.
Tief im Süden."

Das ist stark! In den Strophen findet man tolle Sätze wie "Als ob jeder jedem und keiner keinem was schuldet." oder das Wortspiel "Lass uns so schnell wie möglich wieder langsam werden."

Lieber Dän, hier ist Dir ein verbales Meisterwerk gelungen! Und damit nicht genug! Melodie, Gesang, Harmonien, Rhythmus - alles passt hervorragend zusammen und versetzt regelrecht in eine "mediterane Stimmung". Ich bin vor vielen Jahren im Dezember mehrere Tage mit dem Auto die spanische Mittelmeerküste entlanggefahren. Zu dieser Jahreszeit waren dort keine Touristen unterwegs. Es war so schön entspannend, in einem Fischerdorf im Café zu sitzen und den Einheimischen bei ihren Tätigkeiten oder beim Spielen zuzusehen. Diese Bilder werden in mir wach, wenn ich das Lied höre. Beide Versionen sind super - ein Unentschieden auf extrem hohen Niveau.

Song 4,5 : 4,5
Gesamt 39,5 : 40

Nur für dich
Anfang 2008 kam Nils Olfert zu den Wise Guys, weil sein Vorgänger Clemens Tewinkel sich beruflich verändern wollte. Nils passt hervorragend in die Band und ist stimmtechnisch sogar der etwas bessere Sänger. Es gibt allerdings einen Song, bei dem ich Clemens vermisse. "Nur für dich" war einfach sein Ding! Auf der Bühne ließ er seine herrliche Mimik spielen: Zu Beginn des Liedes schaute er so traurig, dass man ihm am liebsten ein Eis gekauft hätte, damit er nicht zu weinen anfängt. Von depressiv und verzweifelt, ändert sich später seine Physiognomie in "zornig-selbstbewusst" und ganz zuletzt in "verachtend-verarschend". Instrumentiert finde ich das Stück recht gut gelungen, aber die alte Version aus dem Album "Wo der Pfeffer wächst" hat meiner Meinung nach noch mehr "Atmosphäre".

Song 4 : 3
Gesamt 43,5 : 43

Mein Morgen am Meer
Ein schöner Song, fast so gut wie "Tief im Süden", womit er auch in gewisser Weise "verwandt" ist. Ein leichtes Plus für die instrumentierte Version. Abermals steigen viele Bilder in mir auf. Diesmal erlebe ich nicht die Fahrt an der spanischen Küste, sondern meine vielen Urlaube auf den Nordseeinseln. Auch hier hat Dän wieder einen tollen Text geschrieben. Hier meine Lieblingsstelle:

"Der Wind frischt auf und pustet mir den Staub aus den Gedanken,
und gibt mir das Gefühl er hebe unsichtbare Schranken,
und nach langer Zeit krieg ich es erstmals wieder hin
an den Weg zu glauben, auf dem ich gerade bin."

Song 3,5 : 4
Gesamt 47 : 47

Jetzt ist Sommer
Das Lied aus dem Album "Ganz weit vorne" ist der Hit der Wise Guys überhaupt. Jedes Mal, wenn er Live gesungen wird, steht das Publikum auf und feiert den Song singend, klatschend und tanzend. Er macht einfach gute Laune. Bei einer solch guten Stimmung überhört man auch gerne den weniger gelungenen äquivoken Reim (mit den homophonen Endsilben von "Gummiboot" und "Hausverbot"). Da gibt es wirklich Schlimmeres, wie z.B. ein bekannter Hit von Wolfgang Petry, über dessen Wortakrobatik sich Dän vor Jahren mal lustig gemacht hat. Worüber ich allerdings nicht hinwegsehe, ist die Verhunzung der neuen Version. Die Instrumentierung ist total lahmarschig. Die Stimme des sonst echt hervorragenden Dän klingt so lustlos, als hätte jemand ihn breitgeschlagen, das Lied gegen seinen Willen aufzunehmen, weil es unbedingt mit aufs Album sollte. Wenn ich die "Zwei Welten" höre, überspringe ich das Stück meistens und behalte es lieber so im Ohr, wie ich es von früher her kenne.

Song 4 : 1
Gesamt 51 : 48

Jetzt ist deine Zeit
Wow! Der Song ist in der A-capella Version wahrhaft meisterlich! Wie die Wise Guys nur mit dem Einsatz ihrer Stimmen einen solchen Sound hinbekommen - einfach faszinierend! Natürlich weiß ich, dass man im Studio mithilfe von Kompressor und Soundeffekten einiges optimieren kann. Ein solch hervorragendes Ergebnis kann man aber nicht erzielen, wenn die Sänger nichts taugen. Scheiße bleibt auch dann Scheiße, wenn man es mit Goldfarbe besprüht und ein Blümchen reinsteckt. Hier kommt beides zusammen, was man für ein außergewöhnliches Resultat benötigt: sehr gute Stimmen und sehr gute Technik.

Dieses Stück ist mein persönlicher Lieblingssong der "Zwei Welten" A-capella. Ich gebe ihm daher die Höchstwertung von 5 Punkten. Wenn überhaupt, dann gibt es nur eine Randerscheinung, die ich als nicht perfekt ansehe: Das Panorama des Mouthdrumming ist extrem (wandert zwischen dem rechten und dem linken Kanal hin und her) und der Phaser-Effekt ist sehr stark. Hört man den Song mit Kopfhörern, ist das "too much". Aber das kann dem gewaltigen "Gänsehautpotential" nichts anhaben. Leider finde ich die instrumentierte Version nicht so gut gelungen. Es ist eine Art Syntie-Pop-Mix mit viel "Erasure", ein wenig "Depeche Mode" und ein paar Zutaten anderer 80er Bands des Genres. Das hört sich aber alles wie gewollt und nicht gekonnt an. Es klingt irgendwie "flach" und passt meiner Meinung nach überhaupt nicht zu den Wise Guys.

Eddi und Udo
Es gibt es sogar das Buch zum Lied. Eddi erzählt im Paperback "Jetzt ist deine Zeit - Mein Weg, das Leben zu genießen" von den spirituellen Melodien seines Lebens, von Sinnsuche und vom Leben im Jetzt. "Der Fingerabdruck Gottes ruht auf allem, was einem begegnet." Eine bemerkenswerte Aussage vom Leadsänger dieses Titels.

Wieso ist das Bild mit Eddi und mir eigentlich nicht verwackelt?

Song 5 : 1
Gesamt 56 :49

Seemann
Ferenc hatte im Dezember seinen letzten Auftritt mit den Wise Guys. Als ich ziemlich genau vor einem Jahr von dem anstehenden Ausstieg des begnadeten Bassisten erfuhr, hatte ich sogar den Gedanken, mich selbst als Nachfolger zu bewerben. Ich hab es dann doch nicht getan. In der Vergangenheit hatte ich einige musikalische Projekte, doch in den letzten Jahren war in dieser Hinsicht Sparflamme. Bei einer ernsthaften Bewerbung wäre ich mir so vorgekommen, als wollte ich bei einer Mannschaft mit Champions-League-Ambitionen als Mittelfeldspieler mitmischen, wäre selbst aber vor zwei Jahren das letzte Mal in der 3. Liga eingewechselt worden, bei Arminia Bielefeld oder so. Für den 1. FC Köln könnte es vielleicht noch reichen. Aber aufgrund von "Trainingsrückstand" und "fehlender Spielpraxis" bekäme ich sicherlich nie beim FC Bayern oder dem BVB ein Probetraining. Aber zu diesen Clubs würde ich ja sowieso nicht gehen, dann lieber zu Schalke.

Die Wise Guys haben sich für den Italiener Andrea Figallo entschieden. Der hat aber nicht in der "Serie A", sondern in der "Premier League" gespielt. Sein früheres Team, die Flying Pickets, war in den 80ern sogar "Meister" (Nr. 1 mit "Only You"). Das war aber vor seiner Zeit. Zuletzt ging es für ihn und seine Mannschaft vielleicht höchstens um den "Klassenerhalt". Von daher war für Andrea der Wechsel zu den Wise Guys sicherlich ein Karrieresprung. Doch er ist alles andere als ein Nobody und hat bewiesen, dass er musikalisch einiges draufhat, sei es als Bass bei Bobby McFerrins Projekt VOCAbuLarieS oder als Dirigent des Don Camillo Chores.

Hoffentlich wird Andrea von den Fans der Wise Guys angenommen, denn der Schatten des genialen Ferenc Husta ist riesengroß. Es lässt sich wahrscheinlich gar nicht vermeiden, dass Andrea an Ferenc gemessen wird und man die beiden miteinander vergleicht. Das könnte ein Problem werden, muss es aber nicht unbedingt. Andrea hat andere Stärken und sollte diese irgendwie zur Geltung bringen können. Dafür braucht er einen Freiraum, den die anderen Bandmitglieder ihm verschaffen sollten. Vielleicht wäre es klug für die Wise Guys, öffentlich zum Ausdruck zu bringen, dass Andrea nie ein zweiter Ferenc sein wird, dafür aber auf seine eigene Art gut ist. Es könnte seinen Integrationsprozess, bei dem die Anerkennung der Fans wichtig ist, erleichtern. Aber die Wise Guys wissen sicherlich, wie sie mit dieser Aufgabenstellung umgehen müssen. Bei Nils hat das ja auch hervorragend geklappt. Und der neue Mann wird das sicherlich ebenfalls packen. Caro Andrea, ti auguro tanto successo e buona fortuna! (Das letzte Wort ist keine Anspielung auf den Fußballclub der "verbotenen Stadt", in der das Bier so schmeckt, wie es heißt).

Ferenc Husta
Und was macht Ferenc nun, nachdem er die Koffer gepackt hat? Er fährt zur See, wie er uns im letzen Lied der CD mitteilt. Ihn packt "die Sehnsucht nach Stürmen und Meer", und er singt "der Wind treibt mich mit Macht hinaus". Seine arme Frau muss sich mit "wenn die Zeit reicht, dann werd ich dir schreiben" begnügen. Aber dann verrät er in einem Nebensatz, dass er nur die "Rheinautofähre von Niederdollendorf nach Godesberg" fährt. Tja, Ferenc, erwischt! Die ganze Aktion war also nur ein Trick, um Dich von zu Hause loszueisen. Von Godesberg nach Essen sind es gerade mal 100 Kilometer. Du könntest locker nach einer Wochenschicht nach Hause fahren, um dann wenigstens zwei Tage mit Deiner Frau zu verbringen.

Wer beim Hören einfach mal den ansonsten netten Gag mit der "Rheinautofähre" ignoriert, bekommt ein echtes "Hamburger-Hafen-Feeling". Beide Versionen kommen authentisch rüber, doch der "Shantychor" gefällt mir besser als die "Hafenkneipenband".

Song 3 : 2
Gesamt 59 : 51

Fazit:
Beide Teile der "Zwei Welten" gefallen mir sehr gut. Nach den ersten 14 Songs lagen sie noch gleichauf. Dann hat sich aber doch A-capella klar abgesetzt, was an den zwei "instrumentierten Aussetzern" lag.

Im Vorfeld habe ich den Vergleich mit anderen Fans in meinem Umfeld diskutiert. Dabei habe ich festgestellt, dass die meisten unter ihnen A-capella noch wesentlich deutlicher bevorzugen, als das bei mir der Fall ist. Die Wise Guys sind eine A-capella Band. Als solche kennen und lieben wir sie. Mit diesem Erkennungsmerkmal sind sie äußerst erfolgreich geworden. Wäre das instrumentierte Album zu Beginn ihrer Karriere erschienen, hätten sie wohl kaum das große Feld der Bedeutungslosigkeit verlassen. Doch mit ihrer Fähigkeit, gute A-capella Musik auf humorvolle Weise zu präsentieren, haben sie die passende Marktnische gefunden, in der sie mittlerweile die Pole-Position besetzen. Jetzt, wo sie berühmt und erfolgreich sind, dürfen sie etwas ausprobieren, ohne dass es ihrer Beliebtheit einen Abbruch tut. Das haben sie mit "Zwei Welten" getan, und das ist auch okay so.

Und wenn Euch Wise Guys in ein paar Jahren ein neues Experiment einfällt - dann nur zu! Probiert aus und habt Spaß dabei! Der wahre und dauerhafte Erfolg kann aber nur in Eurer Kernkompetenz liegen - und die ist und bleibt A-capella!

Fotos © Udo Michaelis


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