Montag, 7. Oktober 2013

Die Berührung durch des Meisters Hand


SymphonieSie war ramponiert und zerkratzt, und der Auktionator fand es kaum der Mühe wert, viel Zeit mit der alten Violine zu verschwenden. Aber er hielt sie hoch mit einem Lächeln. “Was wird geboten, gute Leute?”, schrie er. “Wer fängt an zu bieten? Ein Dollar, ein Dollar!” Dann zwei! Nur zwei?

“Zwei Dollar, und wer bietet drei? Drei Dollar zum ersten, drei Dollar zum zweiten; drei Dollar zum dritten …” Aber nein! Aus dem Raum, weit hinten, kam ein grauhaariger Mann nach vorn und nahm den Bogen auf. Dann, indem er den Staub von der alten Violine wischte und die Saiten spannte, spielte er eine Melodie, rein und süß, wie ein Engel singt.

Die Musik verstummte, und der Auktionator sagte mit einer Stimme, die ruhig und leise war: “Was wird mir geboten für die alte Violine?” Und er hielt sie hoch mit dem Bogen. “Eintausend Dollar, und wer bietet zwei? Zweitausend! Und wer bietet drei? Dreitausend zum ersten, dreitausend zum zweiten; und zum dritten!”, sagte er. Die Leute jubelten, aber einige riefen: “Wir verstehen nicht ganz! Was hat ihren Wert erhöht?” Schnell kam die Antwort: “Die Berührung durch eines Meisters Hand.”

Und mancher Mann, dessen Leben außer Takt ist und ramponiert und zerkratzt vor Sünde, wird billig verkauft an die gedankenlose Menge, gerade wie eine alte Violine.

Ein Teller “Dicke Suppe”, ein Glas Wein; ein Spiel - und er reist weiter. Er geht “zum ersten” und geht “zum zweiten”. Er geht weg und ist fast gegangen. Aber der Meister kommt, und die törichte Menge kann nie ganz verstehen - den Wert einer Seele und die Erhöhung, die sie erlangt, bei der Behandlung durch des Meisters Hand.

Myra B. Welch (aus dem Buch “Hühnersuppe für die Seele”)

Foto © berlin-pics / PIXELIO

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