Heute morgen setzte ich mich wie üblich an meinen iMac. Etwas später habe ich wie fast täglich meinen iPod angeschlossen, um ihn mit dem Programm iTunes zu synchronisieren. Ich oute mich hier jetzt mal als Apple-Fan. Meiner Meinung nach gibt es nichts besseres in der Computerbranche, als das, was dieses kalifornische Unternehmen auf den Markt gebracht hat. Nun lese ich gerade, dass ihr Firmengründer und langjähriger Chef heute nacht gestorben ist.
Das Netz wird vermutlich heute und in den nächsten Tagen von Nachrufen und Berichten über Steve Jobs Leben geradezu überschwemmt. Ich möchte jetzt nicht einen weiteren hinzufügen und mache deshalb mache nun etwas anderes.Vor einigen Jahren hörte ich eine Rede, die Jobs an der Stanfort
University vor Graduierten hielt. Die hatte mich dermaßen beeindruckt
und deshalb präsentiere ich sie hier:
„Es ist mir eine Ehre, bei Ihrer Abschlussfeier sein zu dürfen. Ich
habe nie ein Studium abgeschlossen. Um die Wahrheit zu sagen, ich war
einem College-Abschluss noch nie so nahe wie heute. Ich möchte Ihnen
drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Drei Geschichten, das ist
alles.
In der ersten Geschichte geht es um das Erkennen von Zusammenhängen.
Ich besuchte das Reed College, stieg aber bereits nach sechs Monaten
wieder aus, hing dann noch weitere 18 Monate auf dem Campus herum, bevor
ich das College wirklich verließ. Warum brach ich mein Studium ab?
Meine biologische Mutter war eine junge, unverheiratete
College-Absolventin, und sie beschloss, mich zur Adoption freizugeben.
Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, ich sollte von Leuten adoptiert
werden, die einen College-Abschluss besaßen, und sie hatte alles in die
Wege geleitet, damit ich bei meiner Geburt von einem Rechtsanwalt und
seiner Frau adoptiert würde. Aber als ich auf die Welt kam, beschlossen
diese Leute, dass sie doch lieber ein Mädchen wollten. So kam es, dass
meine Eltern, die auf einer Warteliste standen, mitten in der Nacht
einen Anruf erhielten: „Wir haben einen neugeborenen Jungen, wollen Sie
ihn?“ Die Antwort war: „Natürlich!“ Meine biologische Mutter fand später
heraus, dass meine Mutter nie ein College absolviert und mein Vater
nicht einmal einen Highschool-Abschluss hatte. Sie weigerte sich, die
Adoptionspapiere zu unterzeichnen. Erst Monate später, als meine Eltern
versprochen hatten, dass ich später ein College besuchen würde, gab sie
nach.
17 Jahre später besuchte ich tatsächlich ein College. Aber das war
fast so teuer wie Stanford, und meine Ausbildung verschlang die ganzen
Ersparnisse meiner aus der Arbeiterschicht stammenden Eltern. Nach sechs
Monaten sah ich keinen Sinn mehr darin. Ich hatte keine Ahnung, was ich
mit meinem Leben machen wollte und sah nicht, wie mir das Studium
helfen sollte. Also beschloss ich abzubrechen und darauf zu vertrauen,
dass ich meinen Weg finden würde. Für mich war dies ein furchterregender
Schritt, aber im Rückblick eine meiner besten Entscheidungen. … Denn
viel von dem, was mir, getrieben von Neugier und Intuition, auf meinem
Weg begegnete, erwies sich später als unbezahlbar. … Im Rückblick wird
es sehr sehr klar. … Sie können nur darauf vertrauen, dass die Dinge
irgendwann einen Zusammenhang ergeben. Sie müssen auf irgendetwas
vertrauen – auf Ihren Bauch, Ihr Schicksal, das Leben oder was immer.
Diese Einstellung hat mich nie enttäuscht, und sie war der bestimmende
Faktor in meinem Leben.
In meiner zweiten Geschichte geht es um Liebe und Verlust. Ich hatte
Glück – ich stieß schon sehr früh auf die Arbeit, die ich liebe. Mit 20
gründete ich gemeinsam mit Woz in der Garage meiner Eltern Apple. Wir
arbeiteten hart, und in zehn Jahren war unser Zweimannbetrieb aus der
Garage zu einem Großunternehmen mit zwei Milliarden Dollar Umsatz und
über 4000 Angestellten angewachsen. Wir hatten gerade unsere beste
Entwicklung – den Macintosh – in Produktion gebracht. Ich war gerade 30,
da wurde ich gefeuert. Wie kann jemand von einem Unternehmen gefeuert
werden, das er gegründet hat? Nun, als Apple größer wurde, stellten wir
jemanden ein, von dem ich glaubte, er könne das Unternehmen gemeinsam
mit mir führen. Das erste Jahr ging alles gut. Doch mit der Zeit
entwickelten wir unterschiedliche Visionen und schließlich kam es zum
Bruch. In diesem Streit stellte sich der Vorstand auf seine Seite. Also
stand ich mit 30 wieder auf der Straße, unter den Augen der
Öffentlichkeit. Alles was mir wichtig gewesen war, war weg.
Ich stand zudem in der Öffentlichkeit als Versager da und überlegte
mir, ob ich dem Silicon Valley den Rücken kehren sollte. Aber dann wurde
mir eines klar: Ich liebte diese Arbeit noch immer. Daran hatten die
Entwicklungen bei Apple nichts geändert. Ich hatte einen Fehlschlag
erlitten, aber die Sache selbst liebte ich noch immer. Also beschloss
ich, von vorn anzufangen. … Die Schwere des Erfolgs wurde abgelöst von
der Leichtigkeit des Neubeginns. Die Dinge waren nicht mehr so fest
gefügt und sicher. Ich war frei zum Aufbruch in eine der kreativsten
Phasen meines Lebens.
In den nächsten fünf Jahren gründete ich eine Firma namens NeXT und
eine weitere namens Pixar, und ich verliebte mich in eine wunderbare
Frau, die ich später heiraten sollte. Pixar schuf den weltweit ersten
computeranimierten Spielfilm, Toy Story. Eine überraschende Wendung der
Umstände wollte, dass NeXT von Apple übernommen wurde, und so kehrte ich
zu Apple zurück. Die Technologie, die wir bei NeXT entwickelt hatten,
schaffte die Basis für die gegenwärtige Renaissance von Apple. Und mit
meiner Frau Laurene habe ich eine wunderbare Familie aufgebaut.
Ich bin ziemlich sicher, dass all dies nicht passiert wäre, wenn ich
nicht bei Apple rausgeflogen wäre. Es war eine wahrlich bittere Medizin,
aber ich nehme an, der Patient brauchte sie. Manchmal wirft einem das
Leben einen Ziegelstein an den Kopf. Verlieren Sie nie die Zuversicht!
Was mich im Leben aufrecht hielt, war die Liebe zu meiner Arbeit – davon
bin ich überzeugt. Sie müssen herausfinden, was Sie lieben. Und das gilt für die Arbeit genau so wie für die Menschen, die Sie lieben.
Ihre Arbeit wird einen großen Teil Ihres Lebens ausfüllen, und der
einzige Weg zu wirklicher Erfüllung ist eine Arbeit zu finden, die Sie
wirklich gut finden. Wirklich gute Arbeit können Sie nur leisten, wenn Sie Ihre Arbeit lieben.
Wenn Sie diese noch nicht gefunden haben, suchen Sie weiter! Geben Sie
sich nicht vorschnell zufrieden. Es ist wie mit allen Herzenssachen: Man
weiß erst, dass man es hat, wenn man es gefunden hat. Und wie jede
großartige Beziehung wird sie im Lauf der Jahre besser und besser.
In meiner dritten Geschichte geht es um den Tod. … Das Bewusstsein,
dass ich bald tot sein werde, wurde mir zu einer der wichtigsten
Entscheidungshilfen. Denn fast alles – alle äußeren Erwartungen, aller
Stolz, alle Angst vor Peinlichkeiten und Fehlschlägen – fallen im
Angesicht des Todes nicht mehr ins Gewicht. Vor etwa einem Jahr wurde
bei mir Krebs diagnostiziert. Ich hatte um 7:30 Uhr eine
Ultraschalluntersuchung und die zeigte einen Tumor auf meiner
Bauchspeicheldrüse. Die Ärzte sagten mir, es handle sich höchst
wahrscheinlich um eine unheilbare Krebsart, und ich solle mich darauf
einstellen, dass ich noch drei bis sechs Monate zu leben habe. Der
Doktor riet mir, nach Hause zu gehen und meine Sachen in Ordnung zu
bringen. Es bedeutet, man muss versuchen, den Kindern in wenigen Monaten
das zu sagen, wofür man glaubte, man hätte noch zehn Jahre Zeit. Es
bedeutet, man muss alles in Ordnung bringen, um es der Familie so leicht
wie möglich zu machen. Es bedeutet Abschiednehmen.
Ich lebte den ganzen Tag mit dieser Diagnose. Am Abend wurde eine
Biopsie vorgenommen. Ich stand unter Betäubungsmitteln, aber meine Frau,
die dabei war, erzählte mir später, dass die Ärzte zu weinen begannen,
als sie die Zellen unter dem Mikroskop betrachteten, denn ich hatte eine
ganz seltene, heilbare Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs, die operativ
entfernt werden kann. Die Operation wurde durchgeführt, und heute geht
es mir wieder gut.
So nahe war ich dem Tod bis dahin nie gekommen, und ich hoffe es
dauert noch ein paar Jahrzehnte, bis ich ihm wieder so nahe komme. Aber
nachdem ich es erlebt habe, kann ich Ihnen eines versichern: Der
Tod ist wohl die beste Erfindung im Leben. Er ist die Kraft, die
Veränderung ins Leben bringt. Er räumt das Alte aus und macht Platz für
Neues. Gerade jetzt sind Sie das Neue, aber eines Tages, gar
nicht so lange hin, werden Sie langsam zum Alten werden. Verzeihen Sie
die dramatischen Worte, aber das ist die Wahrheit.
Ihre Zeit ist begrenzt, also verschwenden Sie sie nicht,
indem Sie anderer Leute Leben leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen
einfangen. Lassen Sie nicht zu, dass der Lärm fremder Meinungen Ihre eigene innere Stimme übertönt. Und vor allem, haben Sie den Mut, Ihrem Herzen und Ihrer Eingebung zu folgen. Irgendwo haben Sie bereits jetzt im Gespür, was Sie wirklich werden wollen. Alles andere ist zweitrangig.
Als ich jung war, gab es eine großartige Publikation mit dem Titel
„The Whole Earth Catalog“, die zu einer der Bibeln meiner Generation
wurde. … Auf der Rückseite der letzten Ausgabe standen die Worte: „Stay
Hungry! Stay Foolish!“ – grob übersetzt: „Bleib hungrig! Bleib
verrückt!“ Ich habe mir das immer für mich gewünscht. Und nun, da Sie
Ihr Studium abschließen und einen Neubeginn machen, wünsche ich das auch
Ihnen: Bleiben Sie hungrig! Bleiben Sie verrückt!“
Ich habe die Rede von Steve Jobs hier nicht komplett übernommen und
sie an einigen Stellen gekürzt. Eine umfangreichere Version findet Ihr
auf dem Portal der WirtschaftsWoche. Die Originalrede gibt es unten auf dem Video:
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